Montag, 1. Oktober 2012 - "Ausgeschimpft"

Der Wecker klingelte erst um 6.30 Uhr, denn wir hatten heute früh etwas mehr Zeit. Die Tour zur Crystal Mill sollte um 10 Uhr starten.

Um 8.30 Uhr beluden wir unsere Autos und wie jeden Morgen führte unser erster Weg zur Tankstelle.

Dann machten wir uns auf den Weg. Die Strecke nach Marble ist sehr schön, vor allem der letzte Abschnitt auf der CO Rd 3 hatte es mir besonders angetan. Ein enges Tal, auf den Hängen der Berge leuchten die gelben Espen und neben der Fahrbahn verläuft malerisch ein kleiner Bach, der Crystal River. Zum Glück hatten wir einen Termin, sonst hätten wir ständig angehalten und fotografiert und wären gar nicht vorwärts gekommen. Aber auch so fraß die gesamte Strecke Zeit, denn sie ist recht kurvig, mit entsprechenden Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Um 9.30 Uhr erreichten wir Marble und parkten vor dem Haus des Touranbieters. Das Thermometer zeigte 42°F und ich mümmelte mich in alles ein, was mir zur Verfügung stand. Dafür hatte ich schon Shirt, Jeanshemd, Fleecejacke, Windjacke, Tuch für den Kopf und das dicke Badetuch, um die Beine zuzudecken, auf dem Rücksitz zurecht gelegt, denn die Tour würde in einem offenen Jeep stattfinden.

Um 10 Uhr starteten wir. Es waren insgesamt drei Jeeps, aber Gerd und ich hatten die Einzel-Tour gebucht, waren also allein mit dem Fahrer im Auto.

Die umliegenden Berge waren mit Patchworkdecken aus Gold-, Braun-, Hellgrau- und Grüntönen bedeckt. Gleich zu Beginn kamen wir an einem malerischen See vorbei, in dem sich die Berge wunderbar spiegelten

Die Strecke war heftig... mit einem Mietwagen hätte ich sie auf gar keinen Fall machen wollen. Ich selber wäre nach den ersten 5 Minuten umgedreht. Als Mitfahrerin in einem Mietwagen hätte ich spätestens nach 20 Minuten gestreikt.

Sowas hab ich noch nicht gesehen. Bis auf ganz, ganz wenige Abschnitte von vielleicht max. 50 m besteht die Piste aus Steinen: übelst große Steine, scharfe Steine, spitze Steine...

Es gab zwei Passagen direkt am steilen Abhang, die gerade mal breit genug für ein Auto waren ... (bei den Stellen hab ich die Steine auf dem Hang gezählt....)

Holprig ist gar kein Ausdruck. Teilweise auch stufig, sodass das Auto "klettern" musste. Dazu noch oft die Schräglage vom Auto...
Ich war mir nicht sicher, ob meine Wirbel während der Fahrt mal wieder richtig eingerenkt wurden oder ob sie nun erst recht verschoben sind. Das würde sich dann wohl morgen zeigen...
Zum Glück saß ich auf der guten Seite
Ich kann nicht wirklich behaupten, dass ich die Fahrt durch die herrliche Landschaft genossen habe.

Mir ging durch den Kopf, ob ich am nächsten Tag wohl Muskelkater haben würde, denn ich verkrallte mich im Rahmen des Jeeps, weil es so holperte. Und das Hinterteil würde wohl auch wehtun, denn die "Sitzbank" war ein Brett mit einer Sitzauflage. Da war nix gefedert etc. und ich "hopste" ganz ordentlich hin und her.

Der Fahrer gab sich viel Mühe und erzählte einiges von der Geschichte und erklärte die Gegend. Und er hielt auch immer wieder mal an, damit wir auch von der Umgebung Fotos machen konnten

Je näher wir der Crystal Mill kamen, desto aufgeregter wurde ich. Auf Fotos hatte ich dieses Motiv schon so oft bewundert und es war ein Traum von mir, dies mal mit eigenen Augen zu sehen. Und nun sollte dieser Traum wahr werden.

Und dann tauchte sie auf. Die Szenerie war einfach märchenhaft, wie die Crystal Mill da verträumt auf dem Vorsprung eines Felsens steht, umrahmt von gelben Bäumen und der Crystal River, der hier einen kleinen Wasserfall bildet und dann lustig zwischen den Steinen im Bachbett weiter plätschert.
Eine bezaubernde Ecke. Sowas kennt man nur aus Märchenfilmen

Nachdem ich von oben schon gefühlte 150x auf den Auslöser gedrückt hatte, kletterte ich den kleinen Weg runter ins Bachbett. Auch diese Perspektive konnte ich mir nicht entgehen lassen.

Aber ich legte den Foto auch immer wieder weg und saugte den Anblick einfach in mich auf, brannte ihn auf meine Netzhaut.

Bevor wir uns auf den Rückweg machten, fuhren wir noch das kurze Stück bis Crystal City. Aber diese Ghost Town war eher nichtssagend. Das war so ne Mischung aus "Ghost Town" und "Wochenend-Häuschen Siedlung". Nix Halbes und nix Ganzes.

Auf der Rückfahrt wechselten Gerd und ich die Plätze, damit ich nicht auf der Seite vom Abgrund sitzen muss

Zurück im Laden des Touranbieters kaufte ich die ersten Postkarten in diesem Urlaub und auch noch ein kleines Andenken.

Um 13.30 Uhr machten wir uns dann auf die Rückfahrt. Nun gönnten wir uns aber auch die eine oder andere Fotopause, die wir uns auf der Hinfahrt verkniffen hatten.

Wir fuhren zurück bis Carbondale und wechselten auf den Hwy 82. Die ursprünglich für heute geplanten Backroads mussten ausfallen, denn das hätten wir zeitlich nicht gepackt. Und als schnellste Strecke nach Buena Vista warf Google Maps die Strecke über den Independence Pass aus. Gerd hatte mir da gestern schon bissl was drüber erzählt, teilweise sehr eng, ohne Randbegrenzungen... ich war innerlich doch sehr aufgeregt und hatte gehörigen Respekt davor.

Aber vorher galt es Aspen zu bewältigen. Ein Zickzack mit viel Verkehr und Baustellen, ständig änderten sich die Geschwindigkeitsschilder, hier so, 10 Meter weiter wieder anders....

Ok, Aspen hat wirklich eine schöne Lage - aber mir wäre es dort zu trubelig. Die Fahrerei durch den Ort stresste mich.

Und ohne die gelben Espen würde mich die ganze Ecke irgendwie an den Schwarzwald erinnern...

Je höher wir auf dem Independence Pass kamen, desto kahler wurden die Bäume und die gelben Blätter tanzten im Fahrtwind von Gerds Auto lustig auf der Straße.

Leider hatte ich nicht die Möglichkeit, alles ganz genau anzuschauen, denn die Fahrerei erforderte doch einiges an Konzentration. Und hier waren einige Fahrradfahrer unterwegs, natürlich besonders an den Stellen, die man schlecht einsehen konnte. Die strapazierten meine Nerven auf diesen engen Straßen zusätzlich.

Noch weiter oben waren die Bäume dann schon ganz kahl.

Gegen 15.45 Uhr kamen wir am Overlook an. Da wollte ich natürlich hinlaufen und hüpfte aus dem Auto. Nach den ersten paar Metern musste ich anhalten. Mir war schwindelig ohne Ende, ich war im Kopf so richtig ballaballa. Mein Pulsschlag hämmerte in meinen Ohren. Und meine Knie fühlten sich an wie Watte.

Gerd schimpfte mich aus, warum ich denn auch gleich so losrenne, ich soll doch mal bissl vernünftig sein... usw. So hatte er bisher noch nie mit mir geschimpft...

Ich fühlte mich nicht wirklich gut und tapste umher wie eine Schlafwandlerin. Zudem war es eisig kalt und es pfiff ein böser Wind. Und so toll war die Aussicht dann auch nicht...
Graue, braune Berge und ein paar Bäume, die auch nicht richtig grün aussehen. Sowas ist definitiv nicht meine Welt

Nach einer wirklich kurzen Pause dort fuhren wir weiter und mit jedem Meter, den es runterging, fühlte ich mich besser. Bald war ich wieder fit genug, um hysterische Blicke nach unten zu werfen, wenn ich auf der bösen Seite der serpentinenreichen Strecke war.

In der Nähe der Twin Lakes stoppten wir noch einmal, denn die Espen waren einfach zu verführerisch

Dann ging es aber schnurstracks nach Buena Vista. Eigentlich wollten wir noch in eine Ghost Town, aber als wir in Buena Vista ankamen, war es bereits 17.15 Uhr und es hätte keinen Sinn mehr gemacht. Die Hinfahrt würde eine dreiviertel Stunde dauern und wenn wir dort ankommen würden, wäre alles schon im Schatten. Im Laufe des Nachmittags war Wind aufgezogen und es war dadurch nun auch mit gerade mal 50°F recht kühl.

Somit verschob sich unsere ganze Planung, denn die Ghost Town verlegten wir auf morgen früh und die letzte Station von morgen Abend dann auf übermorgen... irgendwas musste aber doch entfallen - egal, ich hatte eh längst den Überblick verloren. Frei nach dem alten Sprichwort: Es ist schöner, sich an Dingen zu erfreuen, die man erreicht hat, als über alles zu jammern, was man nicht besitzt.

Wir checkten im Super 8 Motel ein und fuhren gleich zum Safeway, heute war Sandwich zum Abendessen angesagt. Meine Wahl fiel auf ein Tuna Sandwich. Das Abendessen genehmigten wir uns dann in der Lobby an den Frühstückstischen.

Um 19 Uhr war ich im Zimmer und es folgten die üblichen Verrichtungen: Bilder und Tracks überspielen etc. und um 20 Uhr lümmelte ich im Bett. Ich hatte mir als Unterlage fürs Netbook das Tablett genommen, auf welchem die Kaffeemaschine stand. So tippte ich gemütlich meine Notizen und trank in aller Ruhe ein, zwei Bierchen.
Von daheim hatte ich per Mail heute auch wieder gute Nachrichten bekommen. Karlie hat mit Petra seinen Alltag und Rhythmus gefunden, die beiden sind schon irgendwie ein eingespieltes Team und er ist bei ihr nun fast genauso frech wie bei mir

Ich war so groggy, dass ich bereits um halb elf das Licht ausknipste und ich war gespannt, wie ich diese Nacht schlafen würde, denn Höhenlage und Vollmond, das könnte heiter werden...

Die Karte wurde mit TopoUSA von www.delorme.com erstellt.

Gefahrene Meilen: 163

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