Montag, 3. Juni 2013 - "Vom Pech verfolgt"

Erst das Rumms beim Aufsetzen des Flugzeugs beim Landen weckte mich auf.

Es war 0.45 Uhr Ortszeit in Houston und gegen 1 Uhr war ich dann im Terminal. Am Customer Service war einiger Trubel und ich schnappte Gesprächsfetzen auf, dass die Hotels in der Nähe alle voll sind und die Organisation etc. dauern würde
Und nun? Bis Hotel und Shuttle usw. organisiert wäre, würde mindestens noch mal eine Stunde rum sein. Und da der Flug nach Phoenix um 9 Uhr ist, müsste ich auch entsprechend früh wieder am Airport sein. Im Moment war ich auch gerade hellwach und einigermaßen fit, da ich gerade fast vier Stunden geschlafen hatte. Jetzt in ein Hotel - da würde ich wahrscheinlich erst kurz vor dem Weckerklingeln einschlafen und wäre dann total gerädert. Ich hatte auch irgendwie gar keine Lust auf die ganze Organisation für Hotel, Shuttle etc. Mir war das da alles viel zu viel. Ich wollte eigentlich nur ruhig irgendwo sitzen und mich ausjammern.

Also tigerte ich nach draußen und suchte mir eine Raucherecke. Dann rief ich Gerd an und kotzte mich bei ihm erstmal aus. Für mich stand fest, dass es 2014 nicht Richtung USA gehen würde. Nach der bisher erlebten Odyssee konnte ich da gut darauf verzichten. (Ich will schon mal vorneweg nehmen, dass es dazu nicht kommen wird. Ich habe das Ticket schon in der Tasche. Der Hinflug-Horror war wohl bissl wie die Wehen bei einer Geburt - ist es vorbei, dann ist es auch schon irgendwie wieder verblasst und vergessen.)
Dann jammerte ich noch meiner Mutter die Ohren voll und mir ging es gleich besser.

Der Airport war quasi tot. In Houston wird nicht die ganze Nacht über geflogen und so waren auch alle Terminals dicht. Mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen, also machte ich mich mal auf die Suche nach dem Baggage Office, um zu fragen, wo denn der aktuelle Standort meines Trolleys ist. Der war noch in Newark, die Angestellte schätzte jedoch, dass er mit dem ersten Direktflug nach Phoenix transportiert wird.

Also schlappte ich wieder nach draußen und nahm eine Bank in einer als Raucherbereich ausgewiesenen Ecke in Beschlag. Und so saß ich dann am Terminal C im Außenbereich, rauchte ab und zu eine Zigarette und quatschte mir das Diktiergerät voll und wusste gleichzeitig, ich würde mich dafür hassen, wenn ich den ganzen Mist, der mir jetzt so durch den Kopf ging, tippen muss

Gegen 4 Uhr tippelte ich dann wieder rein und fuhr mal ne Runde mit dem Airtrain. Der ruckelte wie ne Geisterbahn, wenn er um Kurven fuhr. Mittlerweile nagte nämlich der Hunger an mir, denn ich hatte seit dem Snack im Flugzeug (warmes Schinken-Käse Sandwich) nichts mehr gegessen. Im Terminal E befand sich ein Mariott Hotel und ich hatte die kleine Hoffnung, dass im Mariott evtl. ein 24 h Restaurant ist (so, wie ich sowas aus Las Vegas kenne). Aber Fehlanzeige...

Und so saß ich um 4.30 wieder auf meiner Bank in der Raucherecke im Terminal C mit Blick auf irgendeins der Parkhäuser...

So langsam erwachte der Flughafen zum Leben, die Angestellten trudelten ein und bereiteten sich auf ihre Tagesschicht vor. Und ich konnte nun endlich schauen, von welchem Terminal mein Flug nach Phoenix erfolgen würde. Auch von Terminal C.

Im Restroom machte ich mich erstmal frisch. Mittlerweile fühlte ich mich nämlich wie etwas, was der Hund reingeschleppt hat...
Zahnbürste hatte ich eh im Handgepäck, einen Satz Wechselklamotten auch und beim Lost Baggage Office hatte ich mir vorhin so ein Notfalltütchen mit Zahnpasta usw. geben lassen. Aus dem Spiegel blickten mich meine Augen an, die Pupillen schwammen in einem rosafarbenen See, der von spinnwebartigen roten Äderchen durchzogen war und ich konnte froh sein, dass ich mein Ticket und den Boarding Pass schon hatte. Denn für die Säcke unter meinen Augen hätte ich eigentlich extra zahlen müssen.

Als die Security Points geöffnet wurden, machte ich mich auf die Suche nach einer Gelegenheit für ein Frühstück. Schnell fand ich ein entsprechendes Cafe, nur war dieses leider noch geschlossen. Ich positionierte mich in der Nähe und belauerte es, wie Karlie das Mauseloch. Um 6 Uhr ging der Betrieb dort los und ich gönnte mir dann erstmal ein amerikanisches Frühstück mit Spiegeleiern, Bacon, Hashbrowns und Toast. Dazu ein Kaffee und einen O-Saft.
Also was das Frühstück betraf, lag ich schon wieder voll im Zeitplan. Mit dem klitzekleinen Unterschied, dass ich halt nur noch nicht da war, wo ich hin wollte

Ich hatte dann noch immer etwas mehr als 2 h Zeit bis zum Weiterflug, also warf ich einen Blick auf den Andrang beim Security Check - das reichte locker, um noch mal nach draußen zu gehen. Das Terminal C kannte ich nun schon auswendig und könnte den Einweiser machen... Ich besuchte dann auch noch mal meine neuen Freunde am Lost Baggage Schalter und sie teilten mir mit, dass mein Trolley Newark bereits verlassen hatte und im Flugzeug nach Phoenix saß. Das war eine gute Nachricht und gab mir richtigen Auftrieb.

Der Flieger startete pünktlich um 9 Uhr. Der liebe United-Angestellte in Newark hatte mich auch für diese Etappe wieder auf einen Economy Plus Sitz gebucht und ich döste noch mal ein. Auch die Landung erfolgte pünktlich um 10 Uhr. Dann wurde es spannend. Würde mein Trolley tatsächlich da sein? Und vor allem wo? In welchem Terminal? Ich machte mich also auf den Weg zum Lost Baggage Office, um mich zu erkundigen. Das brauchte ich aber gar nicht, denn genau vor dem Office war ein abgesperrter Bereich, in welchem diverses Gepäck auf seine Besitzer wartete und mein Trolley stand gleich in der ersten Reihe Vor Rührung bzw. vor Erleichterung, dass mein Trolley und ich nun wieder vereint sind, hätte ich am liebsten ein paar Tränchen vergossen.

Nun also auf zum Rental Car Center Shuttle. Kaum war ich durch die Tür nach draußen getreten, begrüßte mich die Sonne mit voller Kraft. Blinzelnd kramte ich in meiner Handtasche nach der Sonnenbrille, dann machte ich mich erstmal auf die Suche nach einer Raucherecke. Und als der Nikotinspiegel wieder in Ordnung war, fuhr ich mit dem Shuttle zum Rental Car Center. Dort wurde ich positiv überrascht, keine Schlange, drei offene Schalter, von denen ich mir einen aussuchen konnte. Keine Aufschwatzversuche von Upgrades oder Versicherungen. Der Vertrag wurde ausgedruckt, ich kontrollierte die Positionen, unterschrieb und fertig. Oben auf dem Parkdeck standen vier Autos in der Midsize SUV Line.

Meine Wahl fiel auf einen mausgrauen Patriot, der hatte gerade mal 5600 Meilen, das Notrad war unbenutzt und das Auto wurde umgehend auf den Namen Mausi getauft.
Der Kofferraum war arg klein, für mich als Alleinreisende ging es gerade so, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie man da den Krempel von zwei oder mehr Personen reinkriegen soll? Dann wühlte ich erstmal meine Sandalen aus dem großen Trolley raus. Was für eine Wohltat!

Ich fuhr aus dem Parkhaus raus und - wie könnte es anders sein - gleich in die falsche Richtung. Was kam? Mein erstes Dreherle dieser Tour. Im zweiten Anlauf schaffte ich es dann, die richtige Richtung zum Interstate 17 zu treffen. Ich sortierte mich in der mittleren Spur ein, damit ich ja nicht versehentlich auf ner Ausfahrt landete und ließ mich im Strom der anderen aus Phoenix hinaustreiben.

Als der Verkehr weniger wurde, beschäftigte ich mich mal mit den Knöpfchen der Cruise Control. Irgendwie hatte ich da noch nicht ganz den Durchblick, wie sie funktioniert. Einschalten ok, das schaffe sogar ich, aber die Hoch- und Runter-Tasten zeigten keine Wirkung.

Also fuhr ich bei einer Rest Area mal ab, zog mir dort ein Diat Coke und ein Wasser aus dem Automaten und warf bei einer Zigaretten-Pause einen kurzen Blick ins Handbuch. Aha, erst noch mit "-" (Minus - sehr logisch ) die Erstgeschwindigkeit fixieren, dann kann man mit Plus und Minus hoch und runter regulieren.

Ich stoppte an jeder Rest Area, an der es Getränke-Automaten gab, denn endlich war es wieder so, wie es sein muss: So wie man es in sich reinschüttet, verdunstet es auch schon wieder. Das Thermometer zeigte 96 F - das ist ein USA-Urlaubswetterchen, wie es sein muss. Das war jetzt wieder meine Welt, herrliches Wetter, tolle Landschaft und abseits der Großstadt - die Strapazen der Anreise fielen immer mehr von mir ab und ich wurde von Meile zu Meile entspannter.

Ziemlich genau um 13 Uhr konnte ich in der Ferne die ersten roten Felsen der Sedona Ecke erspähen Kurz darauf verließ ich den I 17 und bog auf den Hwy 179 ab.

Von hier war es nicht mehr weit bis Sedona bzw. bis zur Village of Oak Creek, wo ich nach einer Fotopause dann kurz vor 14 Uhr eintraf. Nach einem erneuten Dreherle (ich rauschte erstmal am Motel vorbei) konnte ich dann auch gleich im The Views Inn einchecken und räumte Mausi aus. Das Motel gefiel mir auf Anhieb, nettes Zimmer, kleiner Poolbereich und ringsherum die roten Felsen. Das Zimmer war schön, mit allem ausgestattet, was man braucht und es gab einen "lieben" Kühlschrank, nicht so ein Brumm-Monster.

Es folgte eine gemütliche Pause im Schatten von einem kleinen Innenhof, eine Zigarette und was Kaltes zu trinken, dann fix unter die Dusche und schon kreiselte ich mich durch Sedona bis nach Cottonwood zum Walmart. Über die Anzahl der Kreisverkehre konnte ich wieder nur schmunzeln.

Gegen 15 Uhr startete ich meinen Großeinkauf und rollerte den vollgepackten Einkaufswagen ca. 1,5 h später zur Kasse. Hier erlebte ich nun die nächste Krise. Der Rechnungsbetrag belief sich auf etwas mehr als 300 $, die Kassiererin zog meine Kreditkarte durch die Kasse und ... nix. Sie versuchte es erneut, wieder nichts. Auch der dritte Versuch scheiterte Egal, ich hatte ja noch eine andere Kreditkarte, also reichte ich ihr diese. Aber auch diese wurde offensichtlich nicht akzeptiert.
Die Fragezeichen in meinem Kopf erwachten wieder und vermehrten sich galoppierend. Ich war komplett ratlos Auf beiden Karten war mehr als genügend "Luft", ich war von sämtlichen Höchstgrenzen weit entfernt. Mittlerweile hatte ich vor lauter Scham nen roten Kopf, denn die Leute hinter mir nahmen ihre Sachen wieder vom Band und suchten sich eine andere Kasse.

Ich schlug vor, den Rechnungsbetrag zu splitten und auf beide Karten aufzuteilen. Funktionierte auch nicht. Ich hatte also die Wahl, alles stehen zu lassen oder cash zu bezahlen. Ich hatte noch knapp 10 $ im Portemonnaie und zum Glück noch 300 $ extra in einem Kuvert, die ich am Freitag noch in der Bank geholt hatte, damit ich unterwegs nicht noch irgendwo Bargeld ziehen muss. (Dummerweise gehört nämlich meine Bank zu denen, die auf der EC-Karte kein Maestro-Zeichen mehr haben. Und mit KK Geld ziehen, da bin ich zu geizig für die anfallenden Gebühren. Außerdem weiß ich meine PIN gar nicht.) Ich hatte also gerade noch genug Bares, um meine Einkäufe zu bezahlen. Dann konnte ich den Ort der Scham endlich verlassen
Unterwegs testete ich beide Karten noch an einer Tankstelle. Auch hier wurde keine der Karten akzeptiert.

Im Motel angekommen warf ich das ganze Zeug einfach ins Zimmer, schaltete das Netbook ein und suchte die Service-Nummern der Banken raus. Die eine Bank konnte mir gar nicht weiterhelfen, da es in Deutschland mitten in der Nacht war und nur die Notfallbesetzung da war, die maximal eine Karte hätte sperren können.

Bei der anderen Bank konnte man mir zumindest gleich sagen, was passiert war: Man hatte vor einiger Zeit ein neues Sicherheitssystem eingeführt, welches bei Zahlung mit der KK in einer Art Zufallsprinzip (jedoch auch noch irgendwie in Abhängigkeit von Höhe des Betrages und Häufigkeit des Karteneinsatzes) auf dem Monitor der Kasse eine Aufforderung bringt, dass eine bestimmte Nummer angerufen werden soll. Erfolgt dieser Anruf, dann wird der Käufer ans Telefon gebeten, um zu bestätigen, dass er und niemand anderes mit seiner Karte bezahlt. Dies geschieht anhand irgendwelcher hinterlegter Daten, die ein Dieb allein von der Karte her nicht wissen kann. Sehr sicheres System, denn die wenigsten Angestellten, die so hinter den Kassen sitzen, kennen dieses Vorgehen nicht und für sie "funktioniert die Karte dann einfach nicht".
Durch die mehrfachen Versuche wurde dann die Karte automatisch für mindestens 24 h gesperrt. Man sagte mir, ich soll mich in ein paar Stunden wieder melden, wenn die Fachleute wieder da sind, die können die Sperrzeit verkürzen und die Karte aus diesem Sicherheitsverfahren vorübergehend rausnehmen.

Nach dieser Telefonaktion ging ich noch für eine halbe Stunde an den Pool, um wenigstens noch ein bissl Urlaubsfeeling zu haben und die Nerven zu beruhigen.

Das obligatorische erste Abendessen in den USA mit Steak & Co. fiel mangels funktionierender Kreditkarten und Bargeldvolumen aus. Ich saß in dem kleinen Innenhof, jammerte am Netbook im DA-Forum über mein Pech und ertränkte mein Selbstmitleid mit zwei Dosen kühlem MGD

Später telefonierte ich dann nochmals mit den Banken. Die Bank, die schon früher das Problem lokalisiert hatte, konnte mir gleich weiterhelfen und deaktivierte vorübergehend diesen einen speziellen Anruf-Mechanismus. Das würde in ein paar Stunden wirksam werden.

Nachdem wenigstens bei dieser Kreditkarte ein Lichtblick da war, rauchte ich noch eine Zigarette und fiel dann um 22.45 Uhr vollkommen erledigt ins Bett.

Die Karte wurde mit TopoUSA von www.delorme.com erstellt.

Gefahrene Meilen: 169