Sonntag, 9. Juni 2013 - "Der Tag der nackigen Ärsche und großen Hüte" oder "Desert Breeze"

Die innere Uhr funktionierte und ich wachte um 6 Uhr auf. Ich hatte wunderbar geschlafen und genoss es, dass es nachts doch recht angenehm abkühlte und ich so bei offenem Fenster schlafen konnte.

Leider gab es auf dem Zimmer keine Kaffeemaschine und der Shop, in dem Motel-Gäste ihren Kaffee und Toast bekommen, öffnete erst um 7 Uhr. Aber ich machte mich schon mal ausgehfertig, schaute ins Forum, rauchte draußen eine Zigarette und stand 2 Minuten nach 7 vor dem Shop. Zwei Scheiben Toastbrot mit Marmelade wurden schnell mit zwei Bechern Kaffee runtergespült, dann startete ich im Zimmer die tägliche Sonnencreme-Orgie, befüllte die Kühlbox und packte meinen Rucksack.

Dann machte ich mich auf den Weg zum Bryce Canyon. Vor der heute geplanten Wanderung hatte ich schon Respekt, denn ich wollte den Navajo Trail runter und über den Queens Garden wieder hoch. Runter und unten eben zu laufen, das geht alles, aber man muss halt auch mal wieder hoch...

Am Parkeingang gab es erstmal einen Stau und so wurde es 9.20 Uhr, als ich Mausi am Parkplatz beim Sunrise Point abstellte. Das Thermometer zeigte 81°F und ich rauchte im Schatten der Shuttle Bus Station noch eine Zigarette.

Auf den Switchbacks des Navajo Trails wuselten einige Leute herum, die von oben aussahen wie Ameisen.

Bald kamen mir die ersten auch schon schwer schnaufend entgegen. Diesen Trail würde ich niemals als Aufstieg wählen, da fehlt mir die Abwechslung und vor allem die "Ausrede"

Man kann dann ja nicht in jeder Kehre stehen bleiben und so tun, als würde man die Aussicht genießen Beim Hochlaufen via Sunrise Point hat man hingegen ständig einen absolut prima Vorwand zum Stehenbleiben. Schließlich muss man staunen, man muss fotografieren usw. Bei den Switchbacks der Wallstreet würde man nur gegen die Felswände starren.


Und für mich ist dieser Weg zwischen den riesigen Felswänden wie ein Eingang. Wenn man dann aus der Wall Street hinaus tritt, ist es wie die Tür zum märchenhaften, verspielten Bryce Canyon mit seinen roten Türmchen, Zinnen und den leuchtend grünen Bäumen

Leider leuchtete mir jedoch erstmal ein magerer chinesischer Popo entgegen Die dazugehörige Frau war den Trail wohl von der anderen Seite gelaufen und hatte sich, aus ihrer Richtung kommend, einen geschützten Platz für eine Pinkelpause gesucht, dabei aber nicht gemerkt, dass sie von der anderen Seite voll im Blickfeld hockte

Kurz danach bot sich ein viel niedlicherer Anblick, dieser kleine Kamerad posierte recht zutraulich am Wegesrand.

Und dann war nur noch Staunen und Genießen angesagt. Endlich war ich mal wieder hier unten im Bryce Canyon. Und als ich nun die verzauberte Märchenwelt mit den ganzen Spires und Türmchen erblickte, sind erstmal zwei Tränchen unter der Sonnenbrille vorgekullert.

Es ist so unbeschreiblich schön.

Immer wieder musste ich anhalten, mich umschauen und alles in mich aufsaugen.

Dann ging es wieder nach oben...

Habe ich schon mal erwähnt, dass ich "bergauf" hasse?

Ich bewunderte sehr oft die Aussicht

Und das habe nicht nur ich gemacht, sondern wir waren bald ne ganze Clique von "Leidensgenossen". Wir haben uns von Kehre zu Kehre gehangelt und uns die spärlichen Schattenplätze geteilt und zwischendurch Späßchen gemacht.

So war alles doch recht einfach zu ertragen.

Oben angekommen, lief ich dann am Rim entlang zum Sunset Point Parkplatz. Obwohl die beiden View Points in Sichtnähe zueinander sind, war auf dem Rim Trail dazwischen kaum jemand unterwegs. Auch hier oben hielt ich immer wieder an, um zu fotografieren und den Anblick zu genießen. Einfach himmlisch!

Schon von weitem konnte ich erkennen, dass am Parkplatz nun der Bär steppte. Es war gerammelt voll und dann sah ich, wie zwei Reisebusse am Parkplatz ankamen, die Türen aufgingen und sich immer mehr chinesische Touristen auf den Parkplatz ergossen. Bewaffnet mit Sonnenschirmen in weiß baumwollbehandschuhten Händen oder mit überdimensional großen Hüten, die mit Schleifen und Blumen "verziert" waren, wogte mir diese Masse nun entgegen
Ich flüchtete zu Mausi, befreite mich von der Last des Rucksacks und nahm ein eiskaltes Gatorade aus der Kühlbox.

An der Shuttle Bus Station war zum Glück gerade nix los und so setzte ich mich dort wieder in den Schatten und genoss das kalte Getränk und eine Zigarette. Doch als sich dann dieser Anblick ins Bild schob, ergriff ich endgültig die Flucht.

Eigentlich wäre ich gerne noch ein paar Minuten hier geblieben und auch noch mal vor zum View Point gelaufen, wenn es dort mal etwas leerer wäre. Aber eher würde ich mir angespitzte Streichhölzer unter die Fingernägel rammen, als weiterhin diesen A... im Blickfeld zu haben

Logischerweise gehen mir die Zigaretten immer ausgerechnet dort aus, wo sie am teuersten sind Daher hielt ich noch am Visitor Center und quälte mich durch den total überfüllten General Store beim Rubys Inn. Auch hier drängelten und rempelten sich wieder bemützte Chinesinnen durch. Solche Gebilde, wie manche hier auf dem Kopf hatten, sieht man sonst nur beim Pferderennen in Ascot Schnatternd wie Gänse tummelten sie sich in den engen Wegen zwischen den Regalen. Wenn ich nicht bald von hier weg käme, würde ich vermutlich bald fließend Chinesisch sprechen können.

Um 13:45 Uhr war ich zurück am Motel, das Thermometer zeigte inzwischen 92°F. Ich schlachtete wieder eine kalte Dose Tomatensaft und tippte noch ein paar meiner Notizen runter.

Nach 1,5 Stunden hatte ich nun die Hälfte davon erledigt und machte mich auf den Weg zum Kodachrome Basin State Park. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nun endlich mal den Red Rock Canyon zu besuchen, aber dieser ist dem Bryce ja doch ähnlich und mir war es nun nach einem Kontrast zumute.

Von Cannonville bis zum State Park sind max. 30 mph erlaubt. Die reinste Schikane! Über das Gezuckel hatte ich mich gestern schon geärgert. Da hält sich niemand dran... außer mir...

Nach dem - vom wunderschönen Bryce Canyon mal abgesehen - Vormittag in der Hölle, war es hier das Paradies - kaum Leute da. Herrliche Ruhe

Die Sonne glühte regelrecht vom Himmel und der sanfte Wind war eine Wohltat, nicht zu vergleichen mit den Stürmen und dem Sand umher peitschenden Wind der vergangenen Jahre. Nein, heute und in den vergangenen Tagen war es eine leichte Brise, die weich die Haut umschmeichelt. Und da formte sich in meinem Kopf der Gedanke, dass dieses Gefühl, diese ganze Stimmung meiner Tour ihren Titel geben würde: Desert Breeze

Bei meinem letzten Besuch bin ich vormittags den Panorama Trail gelaufen und da lag eine Ecke, die mir besonders interessant erschien, leider noch im Schatten. Daher wollte ich dort heute noch mal hin. Dann zogen aber genau über diesem Bereich dicke Gewitterwolken auf und das Licht war nicht mehr schön. Daher drehte ich wieder um.

Immer mehr Wolken schoben sich über den Park, und wenn die Sonne doch noch mal hinter den Wolken vorkam, dann brühte sie regelrecht. Kennt Ihr das, wie die Sonne noch mal "sticht", bevor das Gewitter kommt? So war es da, man konnte die Luft quasi schneiden.

Nach ca. 1,5 Stunden beschloss ich, zurück zum Motel zu fahren. Die Wolkenstimmung verlangte jedoch noch nach einigen Fotostopps.

Auf der Rückfahrt regnete es dann auch sogar ca. 12 Tropfen.

Abendessen gab es wieder bei Clark's. Nachdem ich gestern das Paar am Nebentisch so um den so lecker aussehenden Fisch beneidet hatte, bestellte ich mir heute auch ein Fischgericht. Während der Meeresbewohner in der Pfanne gebraten wurde, genoss ich es, auf der Terrasse zu sitzen und ein kühles Samuel Adams zu schlürfen. Und ich wurde nicht enttäuscht, das Tilapia Filet mit Gemüse und Reis war wirklich sehr gut.

Um 19 Uhr war ich zurück am Motel und es folgte das übliche Programm aus Duschen, Fotos und Tracks überspielen. Dann setzte ich mich wieder mit dem Netbook nach draußen.
Vor mir dampfte eine Zigarette im Aschebecher, daneben stand ein kühles MGD. Der perfekte Ausklang für einen herrlichen Tag

Die Karte wurde mit TopoUSA von www.delorme.com erstellt.

Gefahrene Meilen: 66